Selbst-wahrnehmung

Interview "Selbsthilfe Luzern Obwalden Nidwalden"


  

Schönheitschirurgen kennen Dysmorphophobie-Patienten.

Facharzt Urs Bösch erklärt, wie er mit ihnen umgeht und warum er sie fast nie operiert.

 

 

Urs Bösch*, wie oft begegnen Sie Patienten mit Dysmorphophobie, die sich bei Ihnen verschönern lassen wollen?

 

Urs Bösch: In der Plastischen Chirurgie gehen wir davon aus, dass sechs Prozent unserer Patienten an dieser Wahrnehmungsstörung leiden.

 

Was äussern diese Patienten für Wünsche?

 

Urs Bösch: Ein Patient kommt und sagt, er habe eine hässliche Nase, eine Andere beklagt ihre „furchtbaren Fettpolster“ im Hüftbereich. Die Analyse der Nase zeigt dann allenfalls nur eine leichte Deformität und die Nase passt mit ihren Proportionen sehr gut ins Gesicht. Auch bei der Patientin mit den Fettpolstern sind diese nicht so stark ausgeprägt, wie sie es selber wahrnimmt.

 

Was sind häufige Mängel, die behoben werden sollen?

 

Urs Bösch: Nase und Fettpolster sind typisch, aber auch andere Veränderungen können Sorge bereiten: Asymmetrisches Gesicht, Falten, Flecken, Schwellungen, Blässe oder Rötung der Haut, Form der Wangen, des Kinns, der Ohren, des Mundes, der Lippen, der Zähne, des Kiefers, der Augen, der Augenbrauen und der Augenlider, aber auch Muttermale und Narben auf der Haut, Form der Beine, der Arme, der Geschlechtsorgane und des Gesässes.

 

Wie erkennen Sie Dysmorphophobie-Patienten?

 

Urs Bösch: Zum einen durch die Diskrepanz zwischen der Schilderung und dem effektiven Befund. Die eigene Wahrnehmung ist sozusagen verzerrt. Zum andern bringen sie ihre Probleme oft mit drastischen Worten vor, werden dann aber vage und diffus, wenn sie erklären sollen, warum sie ihre Fehlformen als Mangel empfinden. Sie können nicht genau sagen, was es ist, dass sie stört.

 

Wie ernst nehmen Sie diese Patienten, wie gehen Sie mit ihnen um?

 

Urs Bösch: So skurril einem die Problematik erscheinen mag, so unabdingbar ist ein einfühlsames und verstehendes Zuhören. Verstärkt sich der Eindruck, dass es sich um eine Dysmorphophonie handelt, versucht man dem Patienten mit messbaren Kriterien darzulegen, dass er das Problem zu stark gewichtet und die Chirurgie nicht die richtige Lösung ist. Ich empfehle ihnen dann, das Problem mit einer zuständigen Fachpersonen wie einem Psychologen oder Psychiater aufzuarbeiten.

 

Sie könnten auch einfach operieren und dem Patienten einen Gefallen machen...

 

Urs Bösch: Die Gefahr besteht sowohl den Patienten wie sich selber unglücklich zu machen. Plastische Chirurgen wollen mit einer schonenden Technik und einem vernünftigen Aufwand unschöne Formveränderungen korrigieren und den Patienten damit zufrieden stellen. Wer an einer Dysmorphophobie leidet, wird auch das Resultat der Operation verzerrt wahrnehmen und nicht zufrieden sein.

 

*Urs Bösch ist Facharzt FMH und EBOPRAS für Plastisch-Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie, MEON Center für Plastische Chirurgie in Meggen