Von Papp- und anderen Nasen

Artikel in "Das Kulturmagazin" am 2. Februar 2001


 

Die Fasnacht gibt den Menschen die Möglichkeit, für Tage und Stunden in eine andere Haut zu schlüpfen.

Ähnliches macht Urs Bösch. Er verschönert Gesichter und Körper. Mit Skalpell und Silikon. Als Schönheitschirurg.

 

Urs Bösch hat ein sicheres Gefühl für alles Schöne, für Ästhetik und Proportionen, für Materialien, Formen und Farben. Die Schönheit beginnt bei ihm nicht unter dem Skalpell, sondern an der Praxistüre. Der Facharzt für plastisch-rekonstruktive und ästhetische Chirurgie ist stolz auf die Räumlichkeiten, in denen sich Möbel aus hellem Metall mit solchen aus samtig glänzendem Tropenholz zu einem harmonischen Ganzen verbinden, auf das professionelle Fotostudio, in dem das Vorher und Nachher bildlich dokumentiert wird.

 

Prinzessinnentypen

Während die Fasnacht zwei Typen unterscheidet – diejenigen mit viel Mut zur Hässlichkeit und die Schönheitsverliebten, die Prinzessinnentypen -, kennt Bösch fast ausschliesslich Angehörige der zweiten Kategorie. Sie lassen sich in seiner Praxis abstehende Ohren korrigieren, sie befreit er von überschüssigem Fett an Bauch, Hüften und Oberschenkeln, Bösch verkleinert und vergrössert Brüste, korrigiert Haken und andere Nasen, operiert Hängelider, optimiert Körperkonturen und Gesichtsprofile. Die Kosten dieser Eingriffe variieren – je nach Dauer und Komplexität des Verfahrens – zwischen 3000 und 15000 Franken. Die Krankenkasse zahlt selten, auch wenn Hakennase und Knospenbrüste für Urs Bösch «durchaus Krankheitswert» haben können, weil sie zuweilen massive psychische und psychosomatische Störungen verursachen. Das versucht er dann jeweils den Krankenversicherern plausibel zu machen – mit unterschiedlichem Erfolgt.

 

Keine Masken

Trotzdem: Bösch, ursprünglich Luzerner und noch keine 40 Jahre alt, behandelt «nicht nur die oberen Zehntausend». Er erzählt von der «einfachen Kassierin, die jeden Franken spart, um sich nach ein paar Jahren die Brüste operieren zu lassen», sagt, dass er sowohl Angestellte als auch Generaldirektoren schöner, jünger, selbstbewusster und glücklicher macht. Auch wenn Bösch Nasen operiert und Gesichter liftet: Masken erhalten seine Patientinnen – 70 Prozent der Klientel sind weiblich, 30 männlich – nicht. «Ein gutes Facelifting darf keinen Maskeneffekt haben. Wirklich gute ästhetische Chirurgie zeichnet sich dadurch aus, dass die Patientinnen und Patienten frisch, erholt und jünger aussehen, nicht operiert».

 

Hin zur Schönheit

Frisch und erholt sieht auch der Chirurg selbst aus. Er ist in Luzern geboren, hat in Buttisholz die Primarschule absolviert, das Gymnasium in Beromünster, die medizinische Fakultät in Bern. Nach der chirurgischen Grundausbildung und diversen Assistenzstellen hat er sich im Berner Inselspital, in Montreal und in San Franscisco das Rüstzeug für die plastische und die ästhetische Chirurgie geholt. 1997 kehrte er ans Inselspital zurück, war zwei Jahre lang Oberarzt für plastische Chirurgie, im letzten Jahr hat er in Meggen seine eigene Praxis eröffnet: das Zentrum für Plastische Chirurgie an der Huobmattstrasse 9. Arzt ist er geworden, «weil ich den Menschen helfen wollte», plastischer Chirurg, «weil ich während der Ausbildung bemerkt habe, dass die Schulmedizin den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten nur zum Teil gerecht werden kann». Deshalb der Schritt hin zur Technik, hin zur Schönheit, «zur intensiven Auseinandersetzung mit der Frage, was realistisch, was erreichbar und was vernünftig ist». Unvernünftig wäre es zum Beispiel, «eine Brooke-Shields-Nase in ein breitflächiges Gesicht zu operieren», sagt Bösch, erzählt von langen Gesprächen mit seiner Kundschaft, davon, dass er Hilfesuchenden zwischendurch auch schon mal erklären muss, dass ihr Problem in gestörter Selbstwahrnehmung liege und nicht mit langer Nase, mit Fettpolstern oder zu kleinen Brüsten zu tun habe.

 

Ohne Chirurgie

Etwa 600 Personen behandelt der Chirurg jährlich: «Ich entferne Hauttumore, korrigiere Narben und rekonstruiere Weichteildefekte». Rund die Hälfte der Patientinnen und Patienten sucht Bösch auf, um Fehlbildungen oder Alterserscheinungen korrigieren zu lassen, 70 Prozent davon werden operiert. Das heisst aber nicht, dass der Arzt den Rest seiner Klientel wieder nach Hause schickt: Vielfach lassen sich Alterserscheinungen nämlich auch ohne Chirurgie beseitigen. «Wer zu viele Stirnrunzeln hat, kann sich die überaktiven Muskeln mit Nervengift lähmen lassen, Falten werden unterspritzt». Wer sich weder mit Spritzen noch mit Nervengift oder Skalpell anfreunden will, kann sich zurzeit anderweitig behelfen: mit wallenden Gewändern, Pappnasen oder Gesichtsmasken. Es lebe die Fasnacht!

 

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